Russland-Ukraine-Krieg: Rechtsfragen bei der Beschäftigung ukrainischer Mitarbeiter und Flüchtlinge

Der Russland-Ukraine-Krieg führt zu vielen aufenthalts-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen bei ausländischen Beschäftigten und der künftigen Beschäftigung von Flüchtlingen. Die vbw gibt grundlegende Hinweise zur aktuellen Rechtslage (Stand: 01. März 2022).

Einreise nach Deutschland

Grundsätzlich können ukrainische Staatsbürger*innen für 90 Tage (innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen) ohne Visum nach Deutschland einreisen. Das gilt allerdings nur bei Besitz eines biometrischen Reisepasses, den viele ukrainische Staatsbürger nicht besitzen. Wenn kein biometrischer Reisepass vorliegt, müsste ein Visum im Vorfeld beantragt und zur Einreise vorgelegt werden.

Ein Mitgliedstaat kann jedoch für die Einreise in sein Hoheitsgebiet aus humanitären Gründen Ausnahmen zulassen. Laut Medienberichten lässt man an der ukrainisch-polnischen und ukrainisch-slowakischen Grenze Menschen auch ohne biometrischen Reisepass einreisen. An den EU-Binnengrenzen finden keine Grenzkontrollen statt.

Das Bundesinnenministerium (BMI) weist zudem darauf hin, dass sich in den ukrainischen Nachbarstaaten derzeit kleine Teams der deutschen Auslandsvertretungen (Warschau, Krakau, Chisinau, Bratislava, Bukarest, Budapest) bereithalten, um bedarfsweise an einzelnen Grenzübergängen Präsenz zu zeigen und vorrangig konsularische Unterstützung für deutsche Ausreisende aus der Ukraine zu leisten sowie ggf. auch zu Visaanträgen von Geflüchteten sowie zu pandemiebedingten Einreisefragen Auskunft zu geben.

Corona-bedingte Einreisebeschränkungen

Die Vorgaben der Corona-Einreise-Verordnung sind grundsätzlich zu beachten. Die Ukraine ist seit dem 27. Februar 2022 nicht mehr als Hochrisikogebiet eingestuft. Damit besteht nach der Verordnung nur eine allgemeine Testpflicht vor Einreise, aber kein Quarantäne- und Anmeldeerfordernis mehr.

Laut BMI wird die Bundespolizei bei Kriegsflüchtenden und Vertrieben pragmatisch mit der Situation umgehen. So werden u. a. freiwillige Tests bei der Einreise an der Grenze angeboten. Bei Covid-Symptomen werden medizinische Fachkräfte konsultiert.

Verlängerung von bestehenden Kurzzeitaufenthalten, Aufenthaltstiteln und Visa

Ukrainische Staatsangehörige, die bereits für einen Kurzzeitaufenthalt von weniger als 90 Tagen visumfrei nach Deutschland eingereist sind, sollen laut BMI ihren Aufenthalt durch die Ausländerbehörde unbürokratisch um weitere 90 Tage verlängern können, Art. 20 Abs. 2 SDÜ i. V. m. § 40 AufenthV. Zuständig sind die Ausländerbehörden vor Ort.

Hinweis: Im Falle eines visumfreien vorübergehenden Aufenthalts ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht gestattet.

Ukrainische Staatsangehörige, die sich bereits in Deutschland ohne biometrischen Pass aufhalten, können ihr Schengen-Visum nach Art. 33 Visakodex verlängern lassen. Offensichtlich plant das BMI über eine Verordnung eine Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels gem. § 99 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu erwirken. Für bereits in Deutschland befindliche ukrainische Staatsbürger hätte das den Vorteil, dass keine Verlängerung durch die Ausländerbehörden nach 90 Tagen einzuholen wäre.

Aufenthaltstitel, die eine Erwerbstätigkeit erlauben, müssen rechtzeitig vor Ablauf bei den zuständigen Ausländerbehörden verlängert werden. Dies ist in den meisten Fällen möglich. Wenn ein Aufenthaltstitel eigentlich nicht verlängert werden kann, weil die maximale Aufenthaltsdauer abgelaufen ist (z. B. im Falle von Au-Pairs, Praktikantinnen und Praktikanten, Studierenden, die zur Ferienbeschäftigung eingereist sind), bedarf es noch einer Lösung. Eventuell würde hier die voraussichtlich bald in Kraft gesetzte Massenzustrom-Richtlinie greifen (s.u.). Hier stehen Klarstellungen durch die zuständigen Stellen noch aus.

Aufenthaltsstatus nach der Flucht

Angestrebt wird ein möglichst unbürokratisches Vorgehen, mit dem den Menschen schnellstmöglich Klarheit über ihren Status und die damit verbundenen Rechte gegeben werden soll. Auf europäischer Ebene laufen aktuell Beratungen, die Regeln der sog. Massenzustrom-Richtlinie (RL 2001/55/EG) anzuwenden. Hier bedarf es eines Beschlusses des Rats der EU, der am 03. März 2022 erfolgen soll.

Die Richtlinie wurde bisher noch nicht angewandt. Die nationale Umsetzung der Richtlinie erfolgt durch § 24 AufenthG. Geflüchtete könnten so unbürokratisch ohne Einzelfallprüfung einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten. Nach erster Prüfung wären mit dem Aufenthaltstitel folgende Rechtsfolgen verbunden:

  • Die Dauer des Aufenthaltstitels würde ein Jahr betragen und könnte auf Antrag eines Mitgliedstaats durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss des Rats der EU auf bis zu 3 Jahre verlängert werden.
  • Der Arbeitsmarktzugang könnte ohne Einschränkung mit Zustimmung der Ausländerbehörde nach § 4a Abs. 2 AufenthG gewährt werden. Nach § 31 BeschV wäre nach derzeitigem Informationsstand keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) notwendig.
  • Auch der Zugang zu Integrationskursen wäre nach § 44 Abs. 4 AufenthG möglich.
  • Wenn der Lebensunterhalt nicht selbstständig gesichert werden könnte, wäre eine Lebensunterhaltssicherung nach derzeitigem Informationsstand durch Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz möglich.
  • Geflüchtete, die einen vorübergehenden Schutz auf Grundlage von § 24 AufenthG genießen, würde der Zugang zu den regulären Asylverfahren offenstehen. Ukrainische Staatsangehörige, die sich in Deutschland befinden, könnten auch einen Asylantrag stellen. Hier wäre allerdings der Arbeitsmarktzugang in den ersten drei Monaten in Deutschland (wenn sie in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen: 9 Monate nach Stellung des Asylantrags) beschränkt und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) würde im Rahmen des regulären Asylverfahren eine Einzelfallprüfung vornehmen und klären, ob die Voraussetzungen für eine Schutzgewährung vorliegen. In Betracht kommt insbesondere die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG. Es kann im weiteren Verlauf Sinn machen, dennoch einen Asylantrag zu stellen, auch wenn ein Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG besteht. Nach der Anerkennung eines Schutzstatus gelten anderen Regelungen mit Blick auf Daueraufenthalt oder Familiennachzug. Weitere denkbare Möglichkeiten wären §§ 22 und 23 AufenthG. Hierzu bedürfte es Entscheidungen des Bundesinnenministeriums bzw. der obersten Landesbehörden in Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium. Sollte die Massenzustrom-Richtlinie greifen und umgesetzt werden, bedürfte es dieser Möglichkeiten nicht mehr.
 Annette Horstkotte
Annette Horstkotte
Syndikusrechtsanwältin • Fachanwältin für Arbeitsrecht

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