Update: Russland-Ukraine-Krieg - Rechtsfragen bei der Beschäftigung ukrainischer Mitarbeiter und Flüchtlinge

Der Russland-Ukraine-Krieg führt zu vielen aufenthalts-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen bei ausländischen Beschäftigten und der künftigen Beschäftigung von Flüchtlingen. Die vbw gibt grundlegende Hinweise zur aktuellen Rechtslage (Stand: 15. März 2022).

Einreise nach Deutschland

Grundsätzlich können ukrainische Staatsbürger*innen für 90 Tage (innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen) ohne Visum nach Deutschland einreisen. Das gilt allerdings nur bei Besitz eines biometrischen Reisepasses, den viele ukrainische Staatsbürger nicht besitzen. Wenn kein biometrischer Reisepass vorliegt, müsste ein Visum im Vorfeld beantragt und zur Einreise vorgelegt werden.

Ein Mitgliedstaat kann jedoch für die Einreise in sein Hoheitsgebiet aus humanitären Gründen Ausnahmen zulassen.

Zum einen lässt man laut Medienberichten an der ukrainisch-polnischen und ukrainisch-slowakischen Grenze Menschen auch ohne biometrischen Reisepass einreisen. An den EU-Binnengrenzen finden keine Grenzkontrollen statt.

Am 09. März 2022 ist darüber hinaus die sog. "Verordnung zur vorübergehenden Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels von anlässlich des Krieges in der Ukraine eingereisten Personen" in Kraft getreten. Sie regelt für aus der Ukraine Geflüchtete Ausnahmen von der Visumspflicht und die Möglichkeit, hier in Deutschland einen Aufenthaltstitel zu beantragen.

Folgende Personen können auch ohne Visum oder anderen Aufenthaltstitel rechtmäßig nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten. Sie erhalten die Möglichkeit, nach der Einreise den erforderlichen Aufenthaltstitel einzuholen. Dies gilt bis zum Außerkrafttreten der Verordnung (die vorerst bis zum 23. Mai 2022 befristet ist) für die folgenden Gruppen:

  • Ausländische (nicht-ukrainische) Staatsangehörige, die sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben.
  • Ukrainische Staatsangehörige, die sich am 24. Februar 2022 vorübergehend nicht in der Ukraine aufgehalten haben, aber dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatten.
  • In der Ukraine anerkannte Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sowie internationale oder national Schutzberechtigte, die sich am 24. Februar 2022 vorübergehend nicht in der Ukraine aufgehalten haben, aber dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatten.
  • Ukrainische Staatsangehörige, die sich am 24. Februar 2022 bereits rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben.

Die Einreise und der Aufenhalt dieser Personen gilt als rechtmäßig - und zwar auch dann, wenn diese vor Erlass der Verordnung eingereist sind.

Das Bundesinnenministerium (BMI) weist zudem darauf hin, dass sich in den ukrainischen Nachbarstaaten derzeit kleine Teams der deutschen Auslandsvertretungen (Warschau, Krakau, Chisinau, Bratislava, Bukarest, Budapest) bereithalten, um bedarfsweise an einzelnen Grenzübergängen Präsenz zu zeigen und vorrangig konsularische Unterstützung für deutsche Ausreisende aus der Ukraine zu leisten sowie ggf. auch zu Visaanträgen von Geflüchteten sowie zu pandemiebedingten Einreisefragen Auskunft zu geben.

Corona-bedingte Einreisebeschränkungen

Die Vorgaben der Corona-Einreise-Verordnung sind grundsätzlich zu beachten. Die Ukraine ist seit dem 27. Februar 2022 nicht mehr als Hochrisikogebiet eingestuft. Damit besteht nach der Verordnung nur eine allgemeine Testpflicht vor Einreise, aber kein Quarantäne- und Anmeldeerfordernis mehr.

Laut BMI wird die Bundespolizei bei Kriegsflüchtenden und Vertrieben pragmatisch mit der Situation umgehen. So werden u. a. freiwillige Tests bei der Einreise an der Grenze angeboten. Bei Covid-Symptomen werden medizinische Fachkräfte konsultiert.

Verlängerung von bestehenden Kurzzeitaufenthalten, Aufenthaltstiteln und Visa

Ukrainische Staatsangehörige, die bereits für einen Kurzzeitaufenthalt von weniger als 90 Tagen visumfrei nach Deutschland eingereist sind, sollen laut BMI ihren Aufenthalt durch die Ausländerbehörde unbürokratisch um weitere 90 Tage verlängern können, Art. 20 Abs. 2 SDÜ i. V. m. § 40 AufenthV. Zuständig sind die Ausländerbehörden vor Ort.

Hinweis: Im Falle eines visumfreien vorübergehenden Aufenthalts ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht gestattet.

Das Land Berlin hat am 25. Februar 2022 bereits eine Allgemeinverfügung für ukrainische Staatsangehörige mit gültigem Pass oder einem Passersatz erlassen. Mit dieser Allgemeinverfügung wird für ukrainische Staatsangehörige, deren visumsfreier Aufenthalt ab dem 25. Februar 2022 abläuft, von Amts wegen das Vorliegen eines Ausnahme falls i. S. d. Art. 20 Abs. 2 SDÜ festgestellt. Damit wird nach § 40 AufenthV der visumsfreie Kurzaufenthalt bis zum 31. Mai 2022 automatisch verlängert. Eine Erwerbstätigkeit ist mit Ausnahme der in § 17 Abs. 2 AufenthV genannten Tätigkeiten im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung nicht erlaubt.

Ukrainische Staatsangehörige, die sich bereits in Deutschland ohne biometrischen Pass aufhalten, können ihr Schengen-Visum nach Art. 33 Visakodex verlängern lassen. Offensichtlich plant das BMI über eine Verordnung eine Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels gem. § 99 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu erwirken. Für bereits in Deutschland befindliche ukrainische Staatsbürger hätte das den Vorteil, dass keine Verlängerung durch die Ausländerbehörden nach 90 Tagen einzuholen wäre.

Aufenthaltstitel, die eine Erwerbstätigkeit erlauben, müssen rechtzeitig vor Ablauf bei den zuständigen Ausländerbehörden verlängert werden. Dies ist in den meisten Fällen möglich. Wenn ein Aufenthaltstitel eigentlich nicht verlängert werden kann, weil die maximale Aufenthaltsdauer abgelaufen ist (z. B. im Falle von Au-Pairs, Praktikantinnen und Praktikanten, Studierenden, die zur Ferienbeschäftigung eingereist sind), bedarf es noch einer Lösung. Eventuell würde hier die voraussichtlich bald in Kraft gesetzte Massenzustrom-Richtlinie greifen (s.u.). Hier stehen Klarstellungen durch die zuständigen Stellen noch aus.

Aufenthaltsstatus nach der Flucht

Mit Beschluss des Rats der EU wurde am 4. März 2022 die sogenannte sog. Massenzustrom-Richtlinie (Richtlinie 2001/55/EG) verbindlich aktiviert. Sie erlaubt die unbürokratische und schnelle Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen.

Die nationale Umsetzung der Richtlinie erfolgt durch den bereits bestehenden § 24 AufenthG. Geflüchtete könnten so unbürokratisch ohne Einzelfallprüfung einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten. Mit dem speziellen Aufenthaltstitel sind nicht nur Aufenthaltsrechte, sondern auch Zugang zum Arbeitsmarkt, Zugang zu Wohnraum, Sozialhilfe, medizinische oder sonstige Unterstützung sowie Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts verbunden.

  • Der vorübergehende Schutz und damit die Aufenthaltsgewährung sollen zunächst ein Jahr gelten. Dieser Zeitraum kann automatisch um sechs Monate, höchstens jedoch um ein Jahr, verlängert werden.
  • Die Kommission kann vorschlagen, den vorübergehenden Schutz zu beenden, wenn die Lage in der Ukraine eine sichere und dauerhafte Rückkehr erlaubt.
  • Ukrainische Staatsangehörige und Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die in der Ukraine internationalen Schutz genießen, sowie ihre Familienangehörigen erhalten vorübergehenden Schutz, sofern sie sich vor dem oder am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben.
  • Die Mitgliedstaaten gewähren Drittstaatsangehörigen, die sich vor dem oder am 24. Februar mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel in der Ukraine aufgehalten haben und nicht sicher in ihr Herkunftsland zurückkehren können, entweder vorübergehenden Schutz oder einen angemessenen Schutz nach Maßgabe ihres einzelstaatlichen Rechts. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten diesen Beschluss auf andere Personen anwenden, etwa auf alle Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in der Ukraine aufhalten und nicht sicher in ihr Herkunftsland zurückkehren können, sowie auf ukrainische Staatsangehörige, die bereits kurz vor dem 24. Februar geflohen sind oder sich im Hoheitsgebiet der EU befunden haben, beispielsweise wegen eines Urlaubs oder einer Arbeit.
  • Der Arbeitsmarktzugang kann ohne Einschränkung mit Zustimmung der Ausländerbehörde nach § 4a Abs. 2 AufenthG gewährt werden. Nach § 31 BeschV wäre nach derzeitigem Stand keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) notwendig.
  • § 24 AufenthG sperrt keine Aufenthaltsgewährungen nach den übrigen Regelungen des Aufenthaltsgesetzes.
  • Auch der Zugang zu Integrationskursen wäre nach § 44 Abs. 4 AufenthG möglich.
  • Wenn der Lebensunterhalt nicht selbstständig gesichert werden könnte, wäre eine Lebensunterhaltssicherung nach derzeitigem Informationsstand durch Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz möglich.
  • Geflüchtete, die einen vorübergehenden Schutz auf Grundlage von § 24 AufenthG genießen, würde der Zugang zu den regulären Asylverfahren offenstehen. Ukrainische Staatsangehörige, die sich in Deutschland befinden, könnten auch einen Asylantrag stellen. Hier wäre allerdings der Arbeitsmarktzugang in den ersten drei Monaten in Deutschland (wenn sie in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen: 9 Monate nach Stellung des Asylantrags) beschränkt und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) würde im Rahmen des regulären Asylverfahren eine Einzelfallprüfung vornehmen und klären, ob die Voraussetzungen für eine Schutzgewährung vorliegen. In Betracht kommt insbesondere die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG. Es kann im weiteren Verlauf Sinn machen, dennoch einen Asylantrag zu stellen, auch wenn ein Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG besteht. Nach der Anerkennung eines Schutzstatus gelten anderen Regelungen mit Blick auf Daueraufenthalt oder Familiennachzug. Weitere denkbare Möglichkeiten wären §§ 22 und 23 AufenthG. Hierzu bedürfte es Entscheidungen des Bundesinnenministeriums bzw. der obersten Landesbehörden in Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium. Sollte die Massenzustrom-Richtlinie greifen und umgesetzt werden, bedürfte es dieser Möglichkeiten nicht mehr.
  • Die sich aus dem vorübergehenden Schutz ergebenden Rechte können nur in dem Mitgliedstaat in Anspruch genommen werden, der den Aufenthaltstitel erteilt hat.

Informationen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat (BMI)

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weist darauf hin, dass eine Ankunft und Registrierung nicht nur in Berlin möglich ist. Flüchtlinge können sich in allen deutschen Städten registrieren lassen und erhalten auch überall Hilfe. Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQs) im Zusammenhang mit der Ankunft von ukrainischen Flüchtlingen in Deutschland finden Sie auf der Homepage des BAMF bzw. in der Anlage.

Ebenfalls in der Anlage die Presserklärung des Rates der EU vom 4. März 2022, mit der die Aktivierung der Massenzustrom-Richtlinie verkündet wurde.

Eine Zusammenstellung wichtiger Fragen und Antworten finden Sie auch auf der Webseite des BMI: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/faqs/DE/themen/ministerium/ukraine-krieg/faq-liste-ukraine-krieg.html

 Annette Horstkotte
Annette Horstkotte
Syndikusrechtsanwältin • Fachanwältin für Arbeitsrecht

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